DER BETRIEB
Gut gebrüllt, Löwe? – Der neue Erbschaftsteuerkompromiss

Gut gebrüllt, Löwe? – Der neue Erbschaftsteuerkompromiss

RA/StB Prof. Dr. Jochen Lüdicke

RA/StB Prof. Dr. Jochen Lüdicke
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Nein, nicht Max Kruses Kinderbuch und auch nicht ein Laut eines bayerischen Wappentieres sei hier in den Blick genommen, sondern – jahreszeitlich angemessen – William Shakespeares Sommernachtstraum. Dort wurde in der (dreitägigen) Seitenhandlung zur Hochzeit von Hippolyta und Theseus – einem wegen der Vermögensübertragungen der Schenkungsteuer unterliegendem Ereignis – eine tief tragische Komödie aufgeführt. Ob den betroffenen Firmenerben nach den letzten drei Tagen der finalen Kompromisssuche zum Lachen zu Mute sein wird, wenn sie das Ergebnis der politischen Einigung wertend betrachten, bleibt abzuwarten.

Ziellinie erreicht?

Was ist der späte Einigungserfolg? Zunächst und unbestreitbar positiv: Die Koalition hat das Gesetzgebungsverfahren so auf den Weg gebracht, dass es mit – ggf. nur wenigen Tagen Rückwirkung – in Kraft gesetzt werden kann, wenn die Beteiligten meinen, die Regelungen seien beihilferechtlich unkritisch (vgl. aber Wachter, DB 2016 S. 1273). Holen sie sinnvollerweise – um nicht jahrelang Nachfolgeplanungen unter dem Damoklesschwert der Rückforderungspflicht von unionswidrigen Beihilfen stehen zu lassen – die Zustimmung der EU-Kommission ein, wäre der Rückwirkungszeitraum länger. Ein verfassungsrechtliches Problem träte auf, wenn die EU-Kommission die Regelungen als unzulässige Beihilfe würdigen würde und das Gesetz nochmals insgesamt geändert werden müsste. In diesem Fall käme es darauf an, ob dann in der Zwischenzeit keine Erbschaft- und Schenkungsteuer erhoben werden könnte oder ob nur die Ausnahmen für Betriebsvermögen nicht greifen. Letzteres würde dem politischen Willen aller Beteiligten nicht entsprechen.

Neue Bewertungsregeln

Die wichtigste Änderung betrifft die Bewertung. Durch die Einengung der Bandbreite des Basiszinsbereiches in § 203 BewG-E auf 3,5% bis 5,5% ergibt sich unter Hinzufügung des Zuschlages von 4,5% ein Abzinsungssatz von 8% bis 10% auf den Gewinn und damit ein Multiplikator von 10 bis (aktuell anwendbar) 12,5. Somit gehören die völlig überhöhten Gewinnmultiplikatoren als Folge der Niedrigzinspolitik von rd. 18 zu Recht der Vergangenheit an. Damit entfallen in Zukunft eine Reihe von Unternehmensbewertungen und die damit verbundene Unsicherheit bezüglich deren Anerkennung. Die Sätze sind zwar nach wie vor häufig höher, als Kaufpreise im Markt erzielt werden können, aber nicht mehr fast immer überzogen. In Verbindung mit dem praxisgerechter gefassten Abschlag von bis zu 30% für familiengebundene Unternehmen (§ 13a Abs. 9 ErbStG-E) wird jedenfalls die Unternehmensbewertung (nach Änderung der Gesellschaftsverträge ab 2018) näher an tatsächliche Verkehrswerte herangeführt. Dies ist aus verfassungsrechtlicher Sicht uneingeschränkt zu begrüßen, da die frühere Kritik an einer unhaltbaren Anknüpfung an realitätsferne Werten damit künftig an Überzeugungskraft verlieren wird.

Weitere Änderungen

Die in der Praxis erprobte Differenzierung zwischen Verwaltungsvermögen und begünstigtem Betriebsvermögen wird trotz EU-Beihilferecht fortgeführt und nur geringfügig modifiziert. Im Sinne eines konsistenten Politikansatzes wurde – endlich – Vermögen zur Deckung von betrieblichen Altersvorsorgezusagen aus dem Verwaltungsvermögen aussortiert, wenn die Voraussetzungen des § 13b Abs. 3 ErbStG-E eingehalten sind.

Im übrigen ist die Lohnsummenkontrolle moderat angepasst, sodass bei Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten (nicht Vollzeitäquivalenten) keine Lohnsummenkontrolle greift und wegen der höheren Schwankungsanfälligkeiten die in fünf (bzw. für die Vollverschonung sieben) Jahren zu erreichende Lohnsumme 250% (500%) bzw. 300% (565%) statt 400% (700%) bei bis zu 10 bzw. 15 Beschäftigten greift.

Gegenüber dem Regierungsentwurf im Wesentlichen unverändert ist die Beschränkung der Stundungsregelung für ErbSt auf Erbfälle unter Ausschluss von Schenkungen und die Verschonungsbedarfsprüfung (hälftige Einbeziehung von nicht begünstigtem Vermögen, § 28a ErbStG-E). Die gesellschaftspolitischen Folgewirkungen sind sicher noch nicht abschließend erkennbar, klar ist hingegen, dass Schenkungen von Firmenanteilen an (erwachsene) Kinder bei Vermögen oberhalb von 26 Mio. €, also von Unternehmen ab einem Gewinn von rd. 2,1 Mio. €, in der Regel nicht ohne ErbSt-Anfall möglich sind. Damit müssen sich diese Familien überlegen, ob sie Anteile an (ggf. minderjährige) Enkel- oder Urenkelkinder verschenken, die noch kein sonstiges Vermögen haben und daher die Verschonungsbedarfsprüfung erfolgreich „bestehen“. Ob sich solcherart ausgestattete Kinder dann allerdings zu geeigneten Unternehmenseigentümern entwickeln, wird als gesellschaftspolitischer Großversuch abzuwarten bleiben. Für diese Generation kann der Erbschaftsteuerkompromiss dann doch –wie für Prinz Panja bei Max Kruse – zum Märchen mit einem „happy end“ werden.

Wegen der verbleibenden rechtlichen Unsicherheiten sollte die Regierung nach diesem Kraftakt einen unionsrechtlich und verfassungsrechtlich unbedenklichen Entwurf ohne zeitliche Eile als wirkliche Reform mit niedrigen Sätzen und wenigen Ausnahmen und einer Anknüpfung an aus Unternehmen entnahmefähige Gewinne (statt einer Substanzanknüpfung) erstellen. Vorschläge hierzu (z.B. das 10-10-Modell des BVStB) liegen vor.