DER BETRIEB
Reformpläne zur betrieblichen Altersversorgung: Wie kann der Niedrigzinsphase entgegengewirkt werden?

Reformpläne zur betrieblichen Altersversorgung: Wie kann der Niedrigzinsphase entgegengewirkt werden?

Stefan Oecking

Stefan Oecking
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Das Nettorentenniveau vor Steuern der gesetzlichen Rentenversicherung sinkt planmäßig von 53% (2002) auf voraussichtlich ungefähr 44% im Jahre 2030, was eine nachhaltige Verschlechterung der Versorgungssituation im Alter bedeutet.

Aus diesem Grund hatte sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag 2013 eine stärkere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) vor allem in kleineren und mittleren Betrieben auf die Fahnen geschrieben. Im Frühjahr 2016 wurden durch Gutachten von Kiesewetter für das Bundesfinanzministerium (BMF) zu den Förderregelungen der bAV und Hanau/Arteaga für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zum Sozialpartnermodell – einer bAV durch Tarifverträge – konkrete Vorschläge unterbreitet.

Ansatzpunkte nach dem Optimierungsgutachten für das BMF: Riesterförderung und steuerliche Freibeiträge

Vom BMF-Gutachten bleiben nach Äußerungen aus dem Ministerium vermutlich zwei Vorschläge übrig: Abschaffung der Doppelverbeitragung bei Riester-geförderter bAV und Vereinheitlichung der Freibeträge im Einkommensteuerrecht.

Derzeit werden die Riester-Beiträge aus dem Nettogehalt gezahlt, also nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Im Alter sind die Leistungen bei privaten Riester-Verträgen sozialversicherungsfrei. Werden die Beiträge in ein betriebliches Versorgungswerk eingezahlt, werden sie wie alle Betriebsrenten erneut der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterworfen. Dies will das BMF nun ändern. Daneben werden die jährlichen Freibeträge im EStG für Beiträge zur bAV dynamisch gestaltet; möglicherweise werden sie auch leicht angehoben.

Höhere Freibeiträge für großen Fortschritt notwendig

Für viele Arbeitnehmer im unteren Lohn- und Gehaltsbereich ist die Riester-Förderung kombiniert mit einer bAV die wirkungsvollste Möglichkeit zur Altersvorsorge. Allerdings ist sie sehr verwaltungsintensiv, sodass viele Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer stattdessen auf private Versicherungslösungen verweisen. Neben der Doppelverbeitragung gibt es aber weitere Hemmnisse für bAV-Riester, die es zu beseitigen gilt. Eine einfacher zu verwaltende staatliche Förderung, wie auch vom BMF-Gutachter ins Spiel gebracht, könnte dieses Dilemma aufbrechen.

Insgesamt ist mit den Änderungen ein leichter Anstieg der Verbreitung zu erwarten, aber ein großer Schritt sieht anders aus. Eine Erhöhung der steuerlichen Freibeträge wird die Teilnahmequoten und Beiträge nicht wesentlich erhöhen. Schon heute wird die Höchstgrenze von 4% von vielen Arbeitnehmern nicht annähernd ausgenutzt. Um die Folgen der Niedrigzinsphase nachhaltig abzufedern, wären deutlich höhere Beiträge erforderlich. Weitere Anreize hierfür will die Bundesregierung trotz voller Staatskassen nicht schaffen.

Kernelemente des Sozialpartnermodells des BMAS

Das Sozialpartnermodell bietet die Möglichkeit einer bAV mit vollständiger Enthaftung des Arbeitgebers, wobei die Regelungskompetenz ausschließlich bei den Tarifparteien liegt. Derzeit steht der Arbeitgeber für die Erbringung der versprochenen Leistungen ein. Diese Haftung kann teuer werden und die ursprüngliche Kostenkalkulation nachhaltig zulasten der Arbeitgeber verschlechtern. Das BMAS reagiert nun mit einer Enthaftung der Arbeitgeber für tarifliche Versorgung im Rahmen des Sozialpartnermodells. Kernelement sollen gemeinsame Einrichtungen der Tarifparteien sein.

Garantiegeber gesucht!

Die Garantien müssen zunächst von den Einrichtungen selbst sichergestellt werden. Dies wird ohne Arbeitgeberhaftung aufgrund europäischer Vorgaben dazu führen, dass die gemeinsamen Einrichtungen dem Solvency-II-Regime unterlägen. Damit müssten sie ein hohes Eigenkapital stellen, eine sehr sichere Kapitalanlagestrategie verfolgen und Beiträge in eine Insolvenz- oder Leistungsausfallsicherungseinrichtung zahlen. Die Gutachter bringen hier den Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) ins Spiel, um die garantierten Leistungen gegen Leistungskürzungen zu versichern. Dieser wehrt sich bislang – zu Recht – dagegen, diese Risiken zu tragen, weil eine Absicherung von Kapitalmarktschwankungen mit nachfolgenden, ggf. temporären Leistungskürzungen für den PSVaG ein systemfremdes Risiko darstellt. Ggf. könnte die Sicherungseinrichtung der Lebensversicherer eine Alternative sein. In jedem Fall fallen für die Absicherung zusätzliche Kosten an. Renditen für die Arbeitnehmer sind da nicht oder allenfalls in geringem Umfang zu erwarten.

Die Tarifparteien müssten auf Garantien vollständig verzichten und die Gutachter des BMAS empfehlen auch, ihnen dies zu gestatten. Eine bAV ohne Garantien ist ein völlig neuer Ansatz. Ihre Attraktivität könnte jedoch dadurch massiv beeinträchtigt werden. Hier bedarf es erheblicher Anstrengungen, um durch geeignete Gestaltung der Versorgung eine Wertschätzung zu erzeugen, die den früheren, durch Eigenkapital des Arbeitgebers bzw. PSVaG unterlegten Garantien zumindest entspricht. Neben fachgerechter Beaufsichtigung und hoher Transparenz sind zusätzliche Dämpfungsmechanismen und Reservepolster erforderlich, die kurzfristige und massive Leistungskürzungen verhindern und verzögern. Fraglich ist dabei besonders, ob die Zeit ausreicht, die erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen.