DER BETRIEB
Richtlinienentwürfe zur Umsetzung des BEPS-Projekts – Die EU-Kommission legt vor

Richtlinienentwürfe zur Umsetzung des BEPS-Projekts – Die EU-Kommission legt vor

Dr. Gabriele Rautenstrauch

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Unter dem Druck der Öffentlichkeit und des Europäischen Parlaments hat die EU-Kommission ihre Arbeit bei der Unternehmensbesteuerung vorangetrieben: Am 28.01.2016 stellte EU-Kommissar Moscovici das neue Maßnahmenpaket der Kommission gegen Steuervermeidung vor. Es legt nicht nur die grundsätzliche Strategie der EU-Kommission zur Bekämpfung von Steuervermeidung dar, sondern beinhaltet auch Empfehlungen zur Gestaltung von DBA sowie das Ziel, künftig eine EU-einheitliche „Blacklist“ nicht-kooperativer Staaten zu veröffentlichen. Im Mittelpunkt der steuerlichen Diskussion werden jedoch vorrangig die beiden neuen Richtlinien-Entwürfe zu BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) und zum CbCR (Country-by-Country-Reporting) stehen. Mit diesem Maßnahmenpaket läutet die Kommission eine erste Umsetzung des von der OECD angestoßenen BEPS-Projekts zur Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung ein.

Anti-BEPS-Richtlinie als Herzstück der Vorschläge

Die in der Anti-BEPS-Richtlinie vorgeschlagenen Regelungen für eine allgemeine Missbrauchsnorm sowie für die Wegzugsbesteuerung stellen für das deutsche Steuerrecht keine wesentlichen systematischen Neuerungen dar. Auch die vorgeschlagene Zinsschranken-Regelung entspricht in vielen Punkten dem deutschen Modell mit Ausnahme des reduzierten Freibetrags i.H.v. lediglich 1 Mio. €. Dadurch würden sich viele deutsche Unternehmen erstmalig mit der Anwendung der Zinsschranke auf ihr Unternehmen konfrontiert sehen.

Die weiteren Kommissionsvorschläge bringen dagegen zahlreiche Verschärfungen mit sich, welche zudem „nur“ als sog. Mindeststandards zu lesen sind. D.h., der Gesetzgeber kann sogar noch strengere Regelungen implementieren bzw. bereits vorhandene strengere Vorschriften beibehalten. Damit geht die EU-Kommission weit über die – größtenteils als bloße Empfehlungen abgegebenen – Vorschläge der OECD hinaus.

Zuerst zu nennen ist hier der Vorschlag einer sog. Switch-over-Klausel (Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode). Hierdurch soll im Ergebnis verhindert werden, dass niedrig besteuerte Einkünfte aus Drittstaaten steuerfrei in die EU gelangen und dann dort auf Basis der vorhandenen Richtlinien frei zirkulieren können. Daher sollen Dividendeneinkünfte, Einkünfte aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen und Betriebsstätteneinkünfte aus Drittstaaten bei Vorliegen einer Niedrigbesteuerung künftig zwingend im Inland besteuert werden. Gegenwärtig kennt das deutsche Steuerrecht eine Switch-over-Regelung nur bei Qualifikationskonflikten oder bei passiven Einkünften einer Betriebsstätte.

Der CFC-Vorschlag beinhaltet gravierende systematische Änderungen im Vergleich zur deutschen Hinzurechnungsbesteuerung: Diese sind z.B. die Definition eines Katalogs der passiven Einkünfte (zu denen auch Dividenden zählen), eine Alles-oder-Nichts-Regelung bei Überschreiten der 50%-Grenze an passiven Einkünften sowie die Hinzurechnung sämtlicher nicht ausgeschütteter Einkünfte der ausländischen Gesellschaft an die deutsche Muttergesellschaft (unabhängig davon, ob es sich um aktive oder passive Einkünfte handelt). Die Voraussetzung der Niedrigbesteuerung soll – ähnlich wie bei der Switch-over-Klausel – gegeben sein, wenn die Besteuerung im Niedrigsteuerland weniger als 40% der effektiven Besteuerung im EU-Mitgliedstaat beträgt. Damit hängt die Qualifikation als „Steueroase“ von den Besteuerungsniveaus der einzelnen Mitgliedstaaten ab, welche bereits innerhalb der EU eine enorme Bandbreite von mehr als 20 Prozentpunkten aufweisen.

Ob die eher pragmatisch gehaltenen Vorschläge der EU-Kommission zu hybriden Gestaltungen, welche zudem nicht den Vorgaben der OECD in Aktionspunkt 2 entsprechen, die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten überstehen, ist mehr als fraglich. Wesentlicher Kritikpunkt ist hier, dass keine Mindestbeteiligung vorgegeben und damit keine Beschränkung auf konzerninterne Transaktionen vorgesehen ist.

Country-by-Country-Reporting in der EU

Die Richtlinie über den automatischen Informationsaustausch (2011/16/EU) soll durch die Regelungen zum CbCR ergänzt werden. Ziel ist eine einheitliche Umsetzung der OECD-Vorschläge aus Aktionspunkt 13 innerhalb der EU. Allerdings will die EU-Kommission dem Vernehmen nach auch hier noch über die OECD-Vorgaben hinausgehen und einen Vorschlag für eine Veröffentlichung des CbC-Reports im Rahmen der Konzernberichterstattung vorlegen.

Es besteht Gesprächsbedarf

Nun sind die Mitgliedstaaten an der Reihe, eine Einigung über die vorgeschlagenen Maßnahmen herbeizuführen. Der Druck der Öffentlichkeit und des Europäischen Parlaments ist unvermindert hoch, die Anti-BEPS- und Transparenzregelungen zu verabschieden. So räumt auch die niederländische EU-Ratspräsidentschaft deren Umsetzung hohe Priorität ein und plant daher eine rasche Verabschiedung der Richtlinienvorschläge noch bis Juni dieses Jahres. Andererseits ist es aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips und der divergierenden Ziele im Bereich der Steuerpolitik der Mitgliedstaaten eher unwahrscheinlich, dass die Regelungen tatsächlich in ihrer Gesamtheit und in dieser Schärfe kommen. Vor dem Hintergrund des geplanten deutschen Gesetzentwurfs zu hybriden Gestaltungen ist eines aber sicher: So oder so stehen für international tätige Unternehmen und ihre Berater neue steuerliche Herausforderungen vor der Tür.