DER BETRIEB
BEPS – Unsichere Umsetzungsperspektiven!

BEPS – Unsichere Umsetzungsperspektiven!

RA Georg Geberth

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Mit den Anfang dieser Woche veröffentlichten Berichten zu insgesamt 15 Maßnahmen gegen „aggressive“ Steuergestaltungsstrategien hat die G20/OECD-Staatengemeinschaft in der ersten Phase des BEPS-Projekts ihren strammen Zeitplan eingehalten. Möglich war dies, da es um die Erarbeitung von z.T. unverbindlichen Dokumenten und Berichten auf der Ebene der insgesamt ca. 60 Regierungen ging – und Papier ist bekanntlich geduldig. Doch die erste Phase, in der lediglich Papier beschrieben wurde, ist vorbei und nun geht es darum, die Berichte in nationales Recht umzusetzen bzw. in das DBA-Netzwerk einzupflegen. Hierbei wird es zu deutlich größeren Friktionen kommen als bisher. Während die Berichte von den jeweiligen Finanzministern erarbeitet wurden, obliegt die Umsetzung in nationales Recht den Parlamenten der beteiligten Staaten. Und diese folgen mitunter ganz unterschiedlichen politischen Interessen, die Willensbildung findet in anderen politischen Machtzirkeln statt und obliegt damit auch anderen – teilweise schwer kalkulierbaren – gruppendynamischen Prozessen.

Kongress der Vereinigten Staaten mahnt Berücksichtigung der wirtschaftspolitischen Interessen an

Einen Vorgeschmack auf die BEPS-Umsetzungsphase liefern die USA. In zwei Briefen des US-Kongresses an den US-Finanzminister Jacob Lew wird dieser mit kernigen Worten daran erinnert, dass die Gesetzgebungskompetenz dem Kongress zustehe und dass er gedenke, sie im Einklang mit den Interessen der Vereinigten Staaten sowie der US-Unternehmen und nicht zwingend in Übereinstimmung mit den Verhandlungsergebnissen des Ministeriums auszuüben.

Des Weiteren ist bemerkenswert, dass die USA an den Verhandlungen zu Maßnahme 15 (Multilaterales Instrument) nicht teilnehmen wollen, sodass auch dieser zur Umsetzung der abkommensrechtlichen BEPS-Maßnahmen notwendige „Übertragungsriemen“ für die USA funktionslos bleiben dürfte.

Interessengegensätze zwischen den Staaten der G20/OECD-Gruppe

Jenseits allen Räsonierens über Fairness oder Unfairness des geltenden Steuerrechts brechen nun also ganz augenscheinlich die Interessengegensätze zwischen den Staaten der G20/OECD-Gruppe wieder auf. Bereits während der BEPS-Verhandlungen konnte das Verhalten Großbritanniens mit Interesse beobachtet werden. Dort wurde eine Patentbox sowie die sog. diverted profit- oder auch google-tax eingeführt. Wie wird sich in diesem angehenden Umsetzungstumult der deutsche Gesetzgeber verhalten?

Welche Maßnahmen werden in Deutschland umgesetzt?

In Deutschland sollen lediglich Maßnahme 2 (hybride Gestaltungen) und Maßnahme 13 (Country-by-Country-Reporting) in ein Gesetzgebungsverfahren Eingang finden. Denn hierzulande sind im nationalen Recht zahlreiche BEPS-Maßnahmen bereits geltendes Recht, lange bevor dieser Begriff in Mode kam: so z.B. die strenge Hinzurechnungsbesteuerung des AStG und die Zinsschranke.

Eigentlich müssten Bundesregierung und Gesetzgeber aber ganz anders reagieren. Denn Ausgangspunkt des BMF in seinen Verhandlungen mit der OECD war erklärtermaßen der Schutz deutscher Unternehmen vor dem Steuerdumping ausländischer – insb. wohl US-amerikanischer – Konzerne. Wie oben beschrieben, wird sich in den USA jedoch nicht viel ändern. Und ausgerechnet das dort, jedenfalls aus europäischer Sicht, bestehende Hauptärgernis, nämlich die real nicht existierende Hinzurechnungsbesteuerung, ist im Bericht zu Maßnahme 3 (Stärkung der Hinzurechnungsbesteuerung) lediglich als Empfehlung und nicht als Mindeststandard beschlossen worden. Insgesamt ist die Einbindung der USA in einen multilateralen Ansatz damit – zumindest kurz- und mittelfristig – wohl als gescheitert anzusehen.

Ist aber eine Anpassung des US-Steuerniveaus an die Belastung in Deutschland nicht durchsetzbar, müsste Deutschland – um das Ziel der Angleichung dennoch zu erreichen – die wirtschaftspolitischen Interessen seiner steuerpflichtigen Unternehmen ebenfalls stärker in den Vordergrund rücken. Dies soll nicht als Aufruf missverstanden werden, z.B. die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung abzuschaffen. Aber gezielte Eingriffe zur Anpassung der Unternehmensbesteuerung an den internationalen Wettbewerb sind längst überfällig. Einer jüngsten Studie von Spengel und Bräutigam vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim zufolge verschlechtern sich die steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zusehends. Bei der effektiven Besteuerung belege Deutschland unter den 28 EU-Mitgliedstaaten den fünftletzten Platz. Deshalb: Wieso wird nicht endlich der „Niedrigsteuersatz“ des AStG angepasst? Der Bericht zu Maßnahme 3 sieht dies ausdrücklich vor. Weshalb gibt es in Deutschland immer noch keine steuerliche Forschungsförderung? Der Bericht zu Maßnahme 5 (schädliche Besteuerungsregime) stünde dem nicht entgegen.

Abschließend sei auf die besonders wichtige Maßnahme 14 (Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen) hingewiesen: Durch zahlreiche BEPS-Maßnahmen wird es zur Gefahr vermehrter Doppelbesteuerung kommen. Daher ist es erfreulich, dass immerhin 20 Staaten bereit waren, sich einer „Koalition der Willigen“ anzuschließen, die in die verpflichtende Schiedsgerichtsbarkeit einsteigen wollen – leider fehlen wichtige Staaten wie China und Indien. Der Bundesregierung ist für ihr Engagement in dieser Sache zu danken. Auf die Umsetzung hingegen dürfen wir gespannt sein.