DER BETRIEB
Der BEPS-Fahrplan: Wo stehen wir und was ist zu erwarten?

Der BEPS-Fahrplan: Wo stehen wir und was ist zu erwarten?

Die OECD hat im September 2014 sieben von 15 Berichten für den BEPS-Aktionsplan abgeliefert. Die G20-Finanzminister haben die Berichte gebilligt. Entlang des vorgegebenen Zeitplans wurden folgende Aktionspunkte abgehandelt: Digitale Wirtschaft, hybride Gestaltungen, Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken, Verhinderung von Abkommensmissbrauch, Immaterielle Werte, Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country Reporting sowie Entwicklung eines multilateralen Instruments (vgl. DB0670547).

OECD im Zeitplan ...

Die OECD hat sorgfältig gearbeitet und ist mit Augenmaß vorgegangen. Die tradierten Besteuerungsregeln bleiben unangetastet. Für die digitale Wirtschaft wird es kein spezielles Besteuerungsregime geben und die Vorschläge zur Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung bei hybriden Gestaltungen orientieren sich an den unlängst vorgenommenen Steueränderungen in Deutschland (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG). Auch die im OECD-MA verankerten Verteilungsregeln sollen nicht infrage gestellt werden. Die zwischenstaatliche Gewinnaufteilung soll entlang der Wertschöpfungskette erfolgen. Auch IP-Box-Regime, die Lizenzerträge im Durchschnitt mit weniger als 10%, manchmal sogar gar nicht besteuern, werden akzeptiert. Lediglich der Betrag der begünstigt besteuerten Lizenzerträge soll unter Substanzerfordernissen im Verhältnis der FuE-Personalaufwendungen zu den gesamten Personalaufwendungen aufgeteilt werden.

Im Kampf gegen unfaire Steuerpraktiken ist dies jedoch eine stumpfe Waffe. Vielmehr sollte die Zielsetzung von IP-Boxen innovationspolitisch und damit ökonomisch hinterfragt werden. Subventioniert wird ausschließlich der Output. Allerdings ist eine Subventionierung von FuE-Tätigkeiten nur für die Inputseite gerechtfertigt. Nur hier liegt Marktversagen in Form von Spillovers vor, da von FuE-Tätigkeiten unabhängig vom Erfolg für den Investor die Gesellschaft profitiert. IP-Boxen bezwecken ausschließlich die Anziehung mobiler Gewinne. Die innerhalb der EU an Fahrt aufnehmende beihilfenrechtliche Diskussion könnte mehr Klarheit verschaffen.

… und mit Augenmaß

Jedenfalls bleibt es bei einer Gewinnzuweisung zum Ansässigkeitsstaat des IP-Eigentümers. Dem Quellenstaat des IP-Nutzers wird gemäß der Tradition des Art. 12 OECD-MA kein Besteuerungsrecht eingeräumt. Die Krux daran ist, dass die zwischenstaatliche Gewinnaufteilung gerade nicht anhand der Wertschöpfungskette erfolgt. Die Wertschöpfung entspricht – vereinfachend – der Differenz zwischen Umsatzerlösen und den dafür aufgewendeten Kosten. Theoretisch existiert hierfür kein Aufteilungsschlüssel. Man kann das nur pragmatisch, etwa über eine Formel lösen. Außer Frage steht, hierbei den Absatzmarkt, also den Quellenstaat des IP-Nutzers zu berücksichtigen.

Neben der Bekämpfung internationaler Gewinnverlagerung liegt in der zwischenstaatlichen Gewinnaufteilung ein weiterer politischer Kern von BEPS. Die BRIC-Staaten sind mit den vorherrschenden Regeln nicht einverstanden. Sie stellen zwar die Wachstumsmärkte, ihnen wird allerdings ein zu geringes Besteuerungsrecht eingeräumt.

Aber: ungelöste Verteilungsfragen

Die noch ausstehenden Vorschläge zur Hinzurechnungsbesteuerung werden Gewinnverlagerungen nicht eindämmen. Gerade die USA setzen ihre Controlled Foreign Company-Regeln (CFC-Regeln) durch Check-the-Box und flankierende Maßnahmen im Tax Accounting, wonach Gewinnthesaurierungen in Steueroasen nicht die Passivierung latenter Steuern nach sich ziehen, gezielt außer Kraft. Wieso sollte sich daran etwas ändern? Außerdem müssen sich die EU-Mitgliedstaaten ihrerseits vorhalten lassen, dass die Niederlassungsfreiheit den CFC-Regeln innerhalb der EU einen Riegel vorschiebt.

Ebenfalls nicht zielführend sind die noch ausstehenden Vorschläge zur Begrenzung der Gewinnverkürzung durch Abzug von Zins- oder sonstigen finanziellen Aufwendungen. Der Fokus liegt auf Best Practice-Vorschlägen für Zinsabzugsbeschränkungen. Hierfür – sowie für Lizenzschranken – existiert aber kein Best Practice! Das Nettoprinzip würde ausgehöhlt und Doppelbesteuerungen wären unausweichlich.

Eine wirkliche Handlungsoption – die koordinierte Ausweitung der Erhebung von Quellensteuern auf Zins- und Lizenzzahlungen – wird nicht in Betracht gezogen. Diese Maßnahme würde Lizenzierungs- und Finanzierungsgestaltungen effektiv treffen. Gleichzeitig ergäben sich aufgrund der Anrechnungsverpflichtung im Ansässigkeitsstaat Aufkommensverschiebungen zugunsten von Quellenstaaten. Die nationalen Steuerinteressen werden hier auseinanderliegen. Eine in Mannheim erstellte Untersuchung zu einer innerhalb der OECD auf Lizenzzahlungen erhobenen Quellensteuer von 10% verdeutlicht, dass v.a. die USA mit jährlich ca. 4 Mrd. € belastet wären. Dagegen könnten Italien und Deutschland mit geringfügigen Mehreinnahmen rechnen.

Kein einfacher Weg

Mit oder ohne BEPS sind zunehmende Transparenz und eine verschärfte Quellenbesteuerung in den BRIC-Staaten längst Realität. Deutschland muss aufgrund der vorhandenen Abwehrgesetzgebung nicht um Steuersubstrat fürchten, sondern sollte im Interesse der Exportwirtschaft Doppelbesteuerungen vermeiden. Insbesondere hier sind Augenmaß und Beweglichkeit angesagt.

Prof. Dr. Christoph Spengel ist Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Mannheim.