DER BETRIEB
Ein sicherer Rechtsrahmen für das Crowdinvesting

Ein sicherer Rechtsrahmen für das Crowdinvesting

Vom amerikanischen Gesetzgeber kann man allerhand lernen, vor allem eines: wie man Gesetzesnamen publizitätswirksam abkürzt. Während der Bundestag uns Akronyme wie UMAG, ARUG und VorstAG beschert hat, gibt es in den USA z. B. den Capital Raising Online While Deterring Fraud and Unethical Non-Disclosure Act, abgekürzt: CROWDFUND Act. Laut Koalitionsvertrag haben sich nun auch CDU, CSU und SPD vorgenommen, einen „verlässlichen Rechtsrahmen“ für „neue Finanzierungsformen wie das Crowdfunding“ zu schaffen. Damit greift die große Koalition eines der interessantesten Regulierungsprojekte des Kapitalmarktrechts auf.

Was ist Crowdinvesting?

Der Koalitionsvertrag spricht von „Crowdfunding“; von Interesse ist jedoch insbesondere das Crowdinvesting. Crowdfunding ist ganz allgemein das Sammeln von Finanzierungsbeiträgen einer Vielzahl von Menschen zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels, also z. B. auch von Spenden zur Finanzierung eines Wahlkampfes. Crowdinvesting ist eine spezielle Form der Unternehmensfinanzierung, bei der Emittenten Eigenkapital oder hybride Finanzierungsinstrumente über das Internet an Kleinanleger ausgeben. Die Emissionen finden auf spezialisierten Onlineplattformen statt. Die Emittenten sind meist Start-up-Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH oder UG. Finanzinstrumente sind stille Beteiligungen oder Genussrechte, mittlerweile auch partiarische Darlehen. Der Markt existiert seit Oktober 2011 und hat bisher 127 Unternehmen zu Emissionen i. H. von insgesamt 22 Mio. € verholfen.

Chancen und Risiken des Crowdinvesting

Crowdinvesting füllt eine Lücke bei der Unternehmensfinanzierung. Die schwarmfinanzierten Start-ups sind zu risikoreich für Banken, zu klein für Venture-Capital-Fonds und zu groß, um ausschließlich von den Gründern, ihren Freunden und Familienangehörigen finanziert zu werden. Risiken birgt Crowdinvesting für die Anleger. Über die Qualität der schwarmfinanzierten Unternehmen kann man momentan kaum Verlässliches sagen, weil die meisten Start-ups auch (maximal) zwei Jahre nach ihrer Finanzierung im Wesentlichen aus Ideen, Konzepten und Hoffnungen bestehen. Damit rücken die Crowdinvesting-Plattformen in den Fokus. Sie sollten als Mittler zwischen Emittent und Anleger für den nötigen Anlegerschutz sorgen. Sie finanzieren sich aber im Wesentlichen von Emissionsprovisionen. Daher haben sie zwar langfristig gute Anreize, Anlegerinteressen wahrzunehmen. Nicht ausschließen lässt sich jedoch, dass einzelne Portale versuchen (werden), in kurzer Zeit hohe Emissionsvolumina auf Kosten der Anleger zu erzielen.

Regulierung in Deutschland, den USA und Europa

Crowdinvesting ist in Deutschland nicht spezifisch geregelt. Die existierenden Regeln werden von den Beteiligten so weit wie möglich umgangen. Die Emission von stillen Beteiligungen, Genussrechten und anderen Vermögensanlagen i. S. des VermAnlG übersteigt nicht die Summe von 100.000 € und ist daher nach der Ausnahme für Kleinemissionen prospektfrei. Die Begebung von partiarischen Darlehen fällt nicht unter das VermAnlG.

Gesetzgeber anderer Staaten sind schon aktiv geworden. Am detailliertesten ist der CROWDFUND Act aus dem Jahre 2012, dessen Regeln mangels Umsetzung durch die SEC bisher jedoch zum überwiegenden Teil nicht genutzt werden können. In Österreich und Frankreich haben die Gesetzgeber die Maximalsumme für prospektfreie Emissionen erhöht. Eine herrlich verschrobene, aber unter dem Gesichtspunkt der Marktöffnung nicht zweifelsfreie Regelung findet sich in Italien. Die dortige Neuregelung kann ein Unternehmen nur dann in Anspruch nehmen, wenn es bereits über ein Patent verfügt und entweder mindestens die Hälfte der Belegschaft einen Bachelor-Abschluss hat oder wenigstens ein Drittel der Mitarbeiter promoviert oder in einem Dokotrandenprogramm eingeschrieben ist.

Was ist zu tun?

Die derzeitige Regelung des Crowdinvesting in Deutschland ist einerseits zu streng, andererseits zu locker. Die Begrenzung der prospektfreien Kleinemission auf 100.000 € ist zu niedrig und hat dazu geführt, dass Emittenten mit partiarischen Darlehen auf noch weniger geregelte Finanzierungsformen ausweichen. Diese Summe sollte daher angehoben werden – vielleicht nicht gleich auf 1.000.000 € wie in Frankreich, aber auf mehr als die österreichischen 250.000 €, etwa auf 500.000 €. Weitgehend ungeregelt sind zudem die Portale. Als Gatekeeper bieten sie einen idealen Regelungszugriff. Diskutabel erscheinen etwa wohl austarierte Pflichten zur Untersuchung der Emittenten, zur investor education sowie zur Einrichtung einer Kommunikationsplattform für die Anleger. Inwieweit dem deutschen Gesetzgeber hier überhaupt die Regelungskompetenz verbleibt, hängt allerdings von dem genauen Anwendungsbereich und Inhalt der künftigen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) ab. In jedem Fall gilt: Es wäre schön, wenn die Koalitionsfraktionen ihren Worten Taten folgen lassen würden!

Prof. Dr. Lars Klöhn, LL.M. (Harvard) / Dr. oec. publ. Lars Hornuf, M.A. (Essex), beide Ludwig-Maximilians-Universität München